Jan Cornelis de Mik, 1921-1990
Er war ein niederländischer Zwangsarbeiter und Kunstmaler, der in der ME (Maschinenfabrik Esslingen) arbeitete, in Ruit wohnte und Tagebuch schrieb, siehe
https://www.ostfildern.de/multimedia/Downloads/Stadtarchiv/Jan+de+Mik+Tagebuch+1943_1945-p-7060.pdf
Tagebuchseite von Jan Cornelis des Mik vom Freitag, den 20.4.1945, als die Franzosen bereits in der Nähe von Ruit anwesend waren (die eigentliche "Befreiung" fand am nächsten Morgen statt) und das Dorf mit Granaten und Maschinengewehren angegriffen wurde. Man sieht an seiner Handschrift, dass er sehr gestresst und emotional heftig aufgebracht war.
Er war ein überaus positiv denkender Mensch, und er hatte Glück. Sein Sohn Jan jun. berichtet "mein Vater ist von vielen Deutschen gut behandelt geworden." Und weiter: "Deshalb konnte er sagen: die Deutschen habe ich geliebt, ihr System habe ich gehasst."
Wenn seine deutsche Freunde (später) anfingen, über den Krieg zu reden, dann antwortete er "Lass uns über die guten Erinnerungen und über die schöne Sachen reden, die wir erlebt haben als Freunde".
Auch seine in der Zeit gemalten Bilder sehen so aus, als wäre nie Krieg gewesen.
Sein Sohn Jan de Mik jun. (unten abgekürzt JdeMjun) erzählt:
"Damals in den achtziger Jahren, war ich mal im Kriegsmuseum in Brüssel in Belgien gewesen und war so fasziniert von einigen Gemälden, dass ich meinem Vater bat, für mich ein Gemälde von Soldaten in einem Schützengraben zu malen.
Er sagte mir: 'das kann ich nicht' und ich rief: 'aber du bist ein akademisch gebildeter Maler und du kannst keine Soldaten in einem Schützengraben malen?'
Erst viel später habe ich begriffen was er damit meinte ... (wie dumm kann man sein...)
Nach seinem Tod habe ich erst recht gut begriffen, warum er so war wie er war. Ich habe begriffen, dass er schwer traumatisiert gewesen sein musste, aber dieses Trauma nicht an seine Kindern weitergeben wollte: deshalb sprach er so oft vom Krieg und dann erzählte er schöne, oft ulkige Sachen, so dass wir Kinder meinten, dass er dort eine schöne Zeit gehabt hatte. (Meine Kinder dachten sogar, dass er dort in die Ferien gefahren war..., weil er ihnen solche schönen Geschichte aus der Kriegszeit erzählte).
Wie anders war die Wahrheit, als ich erst nach seinem Tod anfing, sein Kriegstagebuch zu lesen!"
Dieser Ausweis der Gemeinde Rotterdam hat einen Stempel mit dem Datum 21. Mai 1943 - dem Tag, an dem Jan Cornelis de Mik nach Deutschland abreisen musste.
Arbeitsausweis der Maschinenfabrik Esslingen (ME) vom 18.9.1944 mit Berufsbezeichnung "Maler".
Im Ausweis oben sieht er noch extrem jung aus, zwei Jahre später so viel älter!
Oft traf sich Jan mit diesen ukrainischen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen heimlich im Wald, meist zusammen mit Hermann Rapp und Albert Blessing.
Drei Ukrainerinnen haben dieses Foto am 10.9.1944 an Hermann Rapp zu Erinnerung gegeben. Er wurde in ein Himmelfahrtskommando einbezogen und überlebte nur knapp - siehe Foto unten.
Text, soweit leserlich:
"Zum Andenken für Gottesbruder Herman von Gottesswester Sacha. [unleserlich, evtl.] Thessaloniker 1, Kap.3, [unleserlich, vielleicht weitere Bibelstellen] 10.9.44."
Drei weitere „Gottesswestern“
Herrmann Rapp als junger Mann, 1930iger Jahre.
aus: Aus der Geschichte Ostfilderns, Schriftenreihe des Stadtarchivs Ostfildern, Band 9, 2011, S. 218
Siehe auch ganz unten: "Albert Blessing und wie ihm Jan das Leben rettete."
Die Familie Epple 1942. Der Bauer Hermann Epple war wohl der bester Freund von Jan Cornelis de Mik - er wird 17 Mal in seinem Tagebuch genannt!
Jan Cornelis de Mik kam mit seiner Familie später immer wieder nach Ruit zu Besuch und malte dort. Hier mit Blick Richtung schwäbische Alb, er sitzt in der Nähe von Epples Reitschule.
Hier sieht man das oben gemalte Bild.
Jan Cornelis de Mik 1947
Familie Hermann Rapp bei Ihrem neuen Haus in der Schönbuchstr., Jan Cornelis de Mik ganz rechts, Anfang der 1950iger Jahre.
Am Eichenbrunnen in Ruit, 1953, mit Tante Anna Dreher. Hinten Blick ins Neckartal.
Abschied nehmen ist nicht so schwer (wenn es Aussicht auf ein Wiedersehen gibt) - ca, 1953 in Ruit.
Links Jan Cornelis de Mik, links vorn der kleine Jan jun.
Stuttgart am Schlossplatz mit Tante Anna Dreher, im Kinderwagen der Junior Jan, ca. 1954. Das Neue Schloß in Hintergrund ist noch ausgebombt.
Zum holländischen Schimpfwort für Deutsche - "Moffen" - schreibt Jan jun.:
"Mein Vater hat mich ohne Hass gegen die Deutschen aufgezogen, und das war in Holland, während meiner Jugend, sehr außergewöhnlich. Besonders in Rotterdam wurde bei Familientreffen sehr hasserfüllt über die Deutschen gesprochen (man nannte sie immer „Moffen“).
Ich erinnere mich, dass ich als Kind anwesend war bei einem Familientreffen, wo man auf die „Moffen“ schimpfte (mein Vater sprach immer über 'Deutsche' und nutzte das Schimpfwort nie). Mein Vater hörte zu und sagte nicht viel. Dann fing man an über Patriotismus zu reden und man fragte meinem Vater ob er nach dem Krieg ein besserer Patriot geworden war. Ich vergesse seine Worten nie als er sagte: 'wo es gut ist, dort ist mein Vaterland'.
Er hat mir mal erzählt, dass, wenn seine Eltern am Ende des Krieges nicht mehr gelebt hätten, er sofort zurückgekehrt wäre nach Ruit..."
Daraus darf man wohl schließen, dass Ruit auch zu einer zweiten Heimat für Jan Cornelis geworden ist.
Abreise aus Ruit (Schurwaldstr.), rechts Jan Cornelis de Mik, links Tochter Atie, Tante Anna (die Nachkriegs-Kindergärtnerin im Gemeindehaus Ruit), und dahinter Sohn Jan de Mik jun, beim Verschnüren der Koffer.
Die Ruiter Familie Fritz Blessing zu Besuch bei Jan Cornelis de Mik in den Niederlanden, 1970er Jahre.
Vermutlich in Kinderdijk, wo sich viele Mühlen befinden, Luftlinie 3 km von Slikkerveer entfernt (in diesem Vorort von Rotterdam lebten die de Miks.
Das Gemälde mit der Mühle ist im Besitz der Familie von Fritz Blessing.
Jan Cornelis de Mik mit seiner Frau Ann (Anna Maria de Mik-Baan) 1969, im Hintergrund Kemnat.
Ruiter besuchen Jan Cornelis de Mik in den Niederlanden. Mit auf dem Bild links von Jan ist Hermann Mettler, ein Kunstmaler aus Nellingen, und seine Frau.
"Kirchgässle" in der Kriegszeit.
Gemalt von Jan Cornelis de Mik, der ein fotografisches Gedächtnis besaß.
H x B 60 x 50 cm, Öl auf Leinwand, auf Holzfensterrahmen aufgespannt, im Besitz des Stadtarchivs Ostfildern.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Jan de Mik jun., Boerdonk.
Alte evangelische Kirche in Ruit.
Aquarell der Kirche von 1943.
Haus in Ruit.
"Wenn es keinen Krieg gegeben hätte in Ruit"
(Jan jun. berichtet: Als mein Vater dieses Gemälde gemalt hatte, sagte er mir buchstäblich: „so könnte es gewesen sein in Ruit, wenn es keinen Krieg gegeben hätte.“
Im Nachbarort Heumaden, vielleicht ein Weg ins Neckartal?
Königseiche im Hedelfinger Wald (in der Waldgegend, wo sie sich auch mit den ukrainischen ZwangsarbeiterInnen trafen, siehe oben).
Im "Hirsch" rechts neben dem Hirschbogen fand Jan eine Unterkunft ganz oben auf dem Dachboden in einem kleinen Zimmerchen (Foto von 1953), mit dem er sehr zufrieden war. Vor dem Krieg war es das Zimmer der Knechte der Metzgerei, aber vermutlich gab es im Krieg nicht so viel Fleisch, so dass man keine Knechte brauchte.
Jan Cornelis de Mik war der Überbringer dieser Nachricht vom 5.7.1945, er hat sich damit "polizeilich (an)gemeldet".
Am 18.7.1943 kam dann die Anweisung des Landrates an Karl Gehrung, ohne Genehmigung des Ernährungsamtes kein Zimmer an Ausländer zu vergeben! Als Karl Gehrung das las, sagte er zu Jan: "Die sind verrückt, du kommst hier wohnen, kein Problem."
Natürlich ging er ein Risiko ein - aber er hat es trotzdem gemacht! Hut ab, so ein Mut in diesen Zeiten!
Diese offizielle polizeiliche Anmeldung der Meldebehörde liegt vor, ausgestellt am 6.7.1943.
Post an Jan Cornelis de Mik im Hirsch von seinem Vater aus den Niederlanden. Als Jan sich 1943 von seinem Vater verabschiedete, war dieser ganz gesund und sah gut aus - als er wieder nach Hause kam, war sein Vater ein alter kränklicher Mann: das war eine traumatische Erfahrung für Jan - 1951 ist sein Vater dann bereits verstorben, kurz vor der Geburt von Jan jun., der dann aber seinen Namen weitertrug.
Die Postkarte war für ihn sehr wichtig, weil es die einzige Karte war, die sein Vater ihn je schrieb.
Bei Karl Gehrung durfte Jan Cornelis de Mik bis zu seiner Ausreise aus Deutschland nach Kriegsende wohnen.
Sein Son Jan jun. schrieb mir:
"Er hat eine wichtigen Rolle gespielt im Leben meines Vaters, denn sein Name habe ich, schon als Kind, hunderte Malen gehört und immer sprach mein Vater nur sehr positiv über ihn.
Dieser Name war mir ein Begriff, obwohl ich damals noch zu jung war, um zu begreifen, worum es in den Geschichten ging…"
Karl Gehrung half übrigens nicht nur Jan Cornelis de Mik, sondern auch russischen Zwangsarbeitern, denen er Kleider und Nahrung gab. Mutige und wichtige Hilfen, die man heute als Gebot der Menschlichkeit für selbstverständlich hält, aber damals riskant und gefährlich waren.
JdeMjun: Als wir noch jung waren hat er viele positive Sachen über Karl Gehrung erzählt, wir waren aber zu jung um es uns zu merken, aber der Name „Karl Gehrung“ war für uns Kinder ein Begriff, ohne zu wissen über wen er sprach...
Karte von 1948 mit dem Fußweg von Jan Cornelis de Mik von seinem Wohnort in Ruit zur Arbeitsstelle an der ME in Mettingen.
Auf dem Weg hinab durch den Wald zwischen Ruit und Weil ist Jan an dieser steinernen "Ruhbank" vorbeigekommen. Sie diente dem Abstellen der Kopflast für eine Rast. Hausfrauen versorgten ihre arbeitenden Männer mit dem Mittagessen und mussten dafür mit Last diesen langen Hin-und Rückweg in Kauf nehmen. Diese Ruhbank wurde leider in den 1960igern oder 70igern abgetragen. Foto um 1958.
Links ein Gebäude der ME (Maschinenfabrik Esslingen), der Fußgängersteg über den Neckar benutzten unzählige Filderbewohner, um zur Arbeit zu kommen, so auch Jan Cornelis de Mik. Der Steg fiel 1958 der Schiffbarmachung des Neckars bis Plochingen zum Opfer.
Es gibt eine unglaubliche Geschichte über diesen Steg, in dem der Fotograf Willi Lengerer eine Hauptrolle spielt, siehe
Hermann Mettler, ein Malerkollege von Jan Cornelis de Mik, in der Maschinenfabrik Esslingen.
Geschichten, die nicht im Tagebuch von Jan Cornelis de Mik stehen,
die er aber seinen Kindern erzählte. Jan de Mik jun:
"er sprach eigentlich nie über den Krieg, deshalb freue ich mich noch immer, dass er diese Sachen erzählt hat."
Keine Rache an den Deutschen
Der Legionär Dirk Velthuizen
Jan Cornelis de Mik hatte einen Landsmann und Freund in Ruit, Hendrik Hamerslag, der im Löwen von Albert Fritz wohnte.
Jan jun. erzählt von der Begegnung mit Dirk als franz. Legionär des RMLE (Régiment de Marche de la Légion Étrangère).
"Mein Vater hat, als er in Ruit befreit wurde, auf der Straße vor dem Gasthaus Hirsch mit einem holländischen Legionär gesprochen, der ihm und seinem holländischen Freund Hendrik Zigaretten, Schnaps und Schokolade anbot. (mein Vater rauchte und trank nicht, aber mit dem Schokolade war er sehr glücklich). Er oder die Legion bot meinem Vater an, mit dem RMLE mitzukämpfen, um Rache an den Deutschen zu nehmen. Er könne sofort eine Uniform und Waffen bekommen. Mein Vater sagte aber, dass er fast immer sehr gut behandelt geworden war von den Deutschen und dass er keine Notwendigkeit fühlte, sich zu rächen (eigentlich war er Pazifist wegen seines Glaubens).
Der Legionär fragte dann, ob Jan seine Eltern besuchen könnte, wenn er wieder heimgekehrt sein wird, um ihnen zu erzählen, dass es ihm gut gehe, denn er hatte seit 1940 keinen Kontakt mehr mit seinen Eltern gehabt. Mein Vater hat das versprochen."
Jan Cornelis schreibt im Tagebuch:
"Als wir laut sprechend an Panzern und weiterem Heeresmaterial vorbeilaufen, ruft plötzlich jemand: 'Seid ihr Holländer?' Überrascht schauen wir beide hoch. Oben auf einem Wagen steht ein holländischer Soldat in französischer Uniform. Damals, im Jahr 1940, als er aus deutscher Gefangenschaft geflohen ist, ist er bei den Alliierten untergekommen, und kämpft seitdem seit fünf Jahren auf alliierter Seite.
Von Zuhause hat er seitdem nichts gehört, und er hat uns gebeten, nachdem er uns seine Adresse gegeben hatte, bei ihm Zuhause vorbei zu gehen, um über ihn zu berichten. Wir versprachen es ihm, und er gab uns Schokolade, amerikanische Zigaretten und Genever, wobei natürlich nur das erste für mich einen Wert hat. Nachdem wir noch einige Augenblicke zusammen gesprochen hatten, verabschiedeten wir uns, und die Armee zog ab in Richtung Stuttgart, um auch das zur Übergabe zu zwingen."
Jan jun. weiter::
"Diesen Soldat und seine Familie habe ich gesucht und schließlich gefunden. Nur seine Schwägerin lebt noch und sie ist sehr begeistert und wird mir alle Dokumente und Bilder schicken. Die Schwägerin konnte bestätigen, dass er 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet, aber flüchtete und dann Legionär wurde.
8 Tage nach dem Gespräch mit meinem Vater ist der Soldat, Dirk Velthuizen aus Zeist, in Hörbranz an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich gefallen! Er ist in Montauville, 40 km südlich von Metz beerdigt.
Auf seinem Grab steht der Name „Erich Velthuizen“, höchstwahrscheinlich weil sein Legionärsname „Erich Knopper“ war.
Erst vier Jahre nach seinem Tod hörte die Familie, dass er gefallen war.
Stiefel für die Heimreise
Als die Franzosen in Ruit waren, war es meinem Vater klar, dass er bald die Möglichkeit haben würde, um wieder nach Holland zurück zu gehen.
Er wollte deshalb gute Schuhe haben, weil er meinte dass er weit zu Fuß gehen müsste. Er ist dann zu einem Schuhladen gegangen (ich glaube in der Stuttgarter Straße, aber ganz sicher bin ich nicht) aber er bemerkte, dass der Laden geschlossen war. Ein französischer Soldat sah, dass mein Vater vergebens versuchte, die Tür des Ladens zu öffnen, und fragte ihn, was er wollte.
Mein Vater erzählte ihm, dass er Schuhe kaufen wollte für die Rückreise nach Holland, aber dass das Geschäft leider geschlossen sei. Der Soldat behauptete, der Laden sei gar nicht geschlossen und mit seinem Schnellfeuerwaffen schoss er das Schloss aus dem Tür. Mein Vater hat begriffen, dass der Soldat einem holländischen Zwangsarbeiter behilflich sein wollte, aber er schämte sich tief für diese Tat, weil die Menschen in Ruit immer so gut für ihn gewesen waren....
Mein Vater hat mir diese Geschichte mehrmals erzählt.
(Anmerkung KI: Als Schuhgeschäft kommt eigentlich nur der Schuhmacher "Stiefel" in der Stuttgarter Str. / Ecke Hedelfinger Str. Betracht. Ich habe die Tochter Elfriede gefragt, die ca. 1940/41 geboren ist, sie wusste aber nichts davon. Sie war natürlich noch zu klein und man wollte das Mädchen vielleicht nicht mit dieser Geschichte erschrecken oder belasten).
Keine Freude über Luftangriffe
NEIN, er freute sich gar nicht über diese Angriffe!
Als junger Mann habe ich [JdeM jun] ihm diese Frage auch mal gestellt, als er erzählte, dass er den Leuten in, ich glaube Obertürkheim, nach einem sehr schweren Bombardement geholfen hat.
Ich sagte: „wie konntest du diesen Leute helfen, die deine Feinde waren?“
Er sagte leise: "das waren keine Feinde, Jan, das waren ängstige, trauernde Menschen, die nicht mehr wussten, wohin sie gehen sollten oder was sie tun sollten…“
In seinem Tagebuch schreibt er am Donnerstag, den 19. Oktober 1944:
„Kurzum, ein Rennen und schreckliches Schreien, während draußen der Lärm zu einem heftigen Donnern anschwillt. Als ich nach draußen komme, sehe ich alles durch brennende Leuchtkugeln erleuchtet. Die donnernd explodierenden Granaten schon direkt über unseren Köpfen. Unheimliches Dröhnen der feindlichen Flugzeuge“.
Am Freitag, den 20. April 1945 schreibt er:
„Gegen Morgen (Samstag), als auch die letzten Soldaten gegangen sind, gelingt es mir, ein wenig zu schlummern. Über meinem Kopf in der Scheune kräht schon ein Hahn zum Zeichen, dass der neue Tag beginnt. Als ich meinen Kopf über meine dürftige Bettdecke hebe, ist alles dunkel. Die Kerze ist abgebrannt, und von außen dringt kein bisschen Licht ein. Ich stehe
auf, strecke meine steifen Gliedmaßen aus und suche meinen Weg zum Ausgang. Auch Annie, noch zwei Männer und eine Frau setzen sich in Bewegung. Als wir die Tür gefunden haben, fällt schon Tageslicht ein, sodass wir vermuten, dass es etwa halb sechs Uhr sein muss und die feindlichen Angriffe bald wieder anfangen werden. Wie gedacht, rattern zwei Minuten später die Maschinengewehre und rattert und knattert es über unseren Köpfen. Rauchwolken steigen vom Dorf auf. In der Nähe ist scheinbar etwas in Brand geschossen worden. Ich renne nach oben und schaue aus einem der Fenster an der Seite vom Haus. Da schaue ich mitten ins Feuer. Was es genau ist, kann ich nicht sofort feststellen, aber es sieht so
aus, als ob es eine Bauernscheune ist, so heftig brennt es."
Unglaublich dass er die alliierten „Feinde“ nennt!
JdeMjun schreibt: "Es ist sehr auffallend, dass mein Vater als Niederländer von „feindlichen“ Flugzeugen spricht, obwohl es Flugzeugen der Alliierten waren… Erstens haben sie ihn auch bombardiert, aber zweitens zeigt das auch die Verbindung zwischen ihm und den Einheimischen..."
Im Lichte der folgenden Aussage kann es vielleicht verständlich sein:
Er erzählte mir mal, und das werde ich nie vergessen: „die Deutschen habe ich geliebt, aber ihr System habe ich gehasst“
Ruit ist wohl zu seiner zweiten Heimat geworden
Auch erzählte er mir mal dass, wenn seine Eltern nicht mehr leben würden, wann er zu Hause käme (Rotterdam ist sehr oft bombardiert worden, nicht nur von den Deutschen), dass er sofort wieder nach Ruit gegangen wäre.
Einnebeln
Übers Einnebeln hat JdeMjun erzählt: er vermutete, dass die Natur beeinflusst oder gestört wurde durch dieses Einnebeln bzw. durch die Chemikalien, weil er sah, dass die Bäume zur falschen Jahreszeit zu blühen begannen, aber ganz sicher davon war er nicht, was das Pflanzenfehlverhalten verursachte.
Es ist bekannt, dass Pflanzen, die es schwer haben (die z.B. zu wenig Wasser kriegen, oder zu wenig Nährstoffen, also Pflanzen die sich viel Mühe geben um zu überleben) schneller Blüten produzieren, um sich fortzupflanzen und ihre Art zu sichern.
Den Beweis, dass seine Meinung stimmt, hat JdeMjun hier gefunden:
Ob es Kirschbäume waren, die so früh geblüht haben weiß ich aber nicht, aber ich vermute es…
Angst vor den französischen Fremdenlegionären
Mein Vater hatte mehr Angst vor den Marokkanischen Legionären als vor der SS, so erzählte er mir mal: er sah, dass sie ihre Initialen mit einem Pistolen-Maschinengewehr in verputzte Wände schossen, und wenn sie durch Ruit marschierten (wahrscheinlich bei der Eroberung oder kurz danach), sangen sie ihre afrikanischen Lieder und schlugen den Takt mit ihren Bajonetten auf ihre Helme.
Albert Blessing und wie ihm Jan das Leben rettete
Albert wird 76 mal genannt im Tagebuch, weil er fast immer bei den Zusammenkünften mit den Ukrainischen Christen anwesend war. Eines Tages erzählte er, dass Jan Cornelis de Mik ihm das Leben gerettet hatte.
Jan jun. schreibt mir:
"Eines Tages,1969, waren wir bei Albert Blessing zum Essen eingeladen.
Als wir am Tisch saßen, sagte Albert plötzlich zu uns Kindern: 'euer Vater hat mir das Leben gerettet'. Und dann fing er an eine Geschichte zu erzählen, dass er und mein Vater in der Straße liefen am Ende des Krieges und plötzlich erschien ein Französischer Soldat, mit dem Gewehr im Anschlag. Der Soldat zielte auf Albert und wollte schießen.
Dann hätte mein Vater in Französisch gerufen, dass sein Freund Albert zwar Deutscher, aber kein Nazi sei und dass er selbst ein holländischer Zwangsarbeiter sei.
Albert war sehr emotional und er legte seine Hand auf meine Hand.
Mein Vater andererseits war sehr erstaunt und sagte, dass er nicht dabei war.
Dann fing Albert an zu weinen und behauptete mit Nachdruck, dass er sich nicht irrte und sicher war, dass mein Vater dabei war.
Er nahm uns mit nach draußen und zeigte die Stelle, wo sich die ganze Geschichte abgespielt hatte. Dann sagte mein Vater, dass er sich an nichts davon erinnern konnte.
Derzeit denke ich, dass mein Vater fand, dass das zu viel Ehre für ihn sei, und das wollte er nicht. Später erklärte er mir, dass die ganze Geschichte höchstwahrscheinlich mehr Eindruck auf seinem Freund gemacht hatte als auf ihm, aber als er das gesagt hatte, habe ich begriffen, dass er sich an diese Geschichte erinnerte, aber nicht darüber reden wollte…"