Die Ausstellung "Ich atme also bin ich" fand in der DG-Galerie im Jahr 1998 in München statt.
The exhibition "Ich atme also bin ich" (I breathe therefore I am" took place at the DG-Gallery in Munich the year 1998.
Siehe Text von Dr. Markus Wimmer unten auf dieser Seite
See text by Dr. Markus Wimmer at bottom of page.
Rechts drei kleine schwarze Atemobjekte (je ø 15cm), die aber erst zu armen beginnen, wenn der Besucher bereits in Pfeilernähe ist.
On the right three small black breathing objects (each diameter 15cm), which only start to become poor when the visitor is already near the pillar.
Die Objekte atmen zeitlich versetzt von vorn nach hinten ein.
The objects breathe in at different times from front to back.
Später stimmt auch das graue Objektpaar links (je ø ca. 50cm) in einem wesentlich langsameren Atemrhythmus mit ein.
Later the grey object pair on the left (each diameter approx. 50cm) also tunes into a much slower breathing rhythm.
Das graue Objektpaar atmet parallel.
The grey pair of objects breathes in parallel.
Die finale rote Scheibe an der Stirnwand (ø 90cm) schließt mit zwei tiefen Atemzügen ab.
The final red disc on the front wall (ø 90cm) ends with two deep breaths.
Ich atme, also bin ich
Der Galerieraum, den sie betraten, ist zunächst optisch strukturiert: drei schwarze kleine Atemobjekte im Eingangsbereich, das graugrüne Paar vor der Treppe und an der Stirnwand der markante und und zielführende Abschluss in roten Rund. Alle Objekte sind mit Schläuchen und Kabeln zu einem systemischen Kreislauf geschlossen, dessen Spur sich über die Treppe in einen verborgenen Raum hinaufzieht, von welchem, vergleichbar mit dem menschlichen Haupt, der energetische Impuls der Arbeit ausgeht.
Der Betrachter selbst aktiviert durch eine Lichtschranke den pneumatisch-, kinetisch-, akustischen Teil der Installation von Klaus Illi. Die Geräusche nehmen von den schwarzen Objekten im Rücken des Betrachters ihren Ausgang. Ein leises Klicken und Ziehen bereitet die akustische Komposition vor. Mit einer entschiedenen Dehnung setzen die Doppelobjekte ein, von heftigem Ausstoßen gefolgt. Im Höhepunkt gibt die rote Atemscheibe in langen Bewegungen ihr Solo. Der Klang ähnelt einer archaischen Musik, sich dehnende, ausfüllende Geräusche, welche unterbrochen werden durch ein metallisches, gewaltsames kurzes Ausstoßen. Jeder Part hat seine individuelle Rhythmus- und Geräuschidentität, seine unverwechselbare Lautsprache. Der gesamte Raum wird so zum Resonanzraum. Die Komposition steigert sich, von drei, nach zwei zu einem Objekt; von kleinen Objekten zum großen Solitär wird die Vielheit zur Einheit geführt.
Die Membranobjekte verbinden Körper, Raum und Zeit zu einem Kontinuum. Mit jedem Atemzug wächst die Dichte des Raumes. Das akustische System erfüllt den Raum, die Atemobjekte hauchen ihm Odem ein, der Raum transformiert zu einer großen Atemhalle, in die der Betrachter gezogen wird: „Ich atme, also bin ich.“ Der beatmete Raum erhaät „Richtung und Schicksal“ (Paul Celan), und wird zu einer eigenen Wesenheit.
Klaus Illis Installation schafft ein Bild von der Welt. Im permeablen Austausch von In- und Expiration wird Entstehen und Sein von Mensch und Natur, alles Lebendigen und dessen bergender umhüllender Raum=Welt symbolisiert. Beide sind untrennbar miteinander verbunden, bedingen sich gegenseitig. Sie stellen ein geschlossenes System dar, welches Leben=Atem außerhalb dieses Kreislaufs unmöglich macht.
Die Apparate bekommen eine organische Qualität: Die Beziehung zwischen eigenem Atmen und der atmenden Welt sind symmetrisch zur Pneumatik der Objekte und der Atemhalle. Mechanische Verstärkung und Vergrößerung des Atemvorgangs stellen einen kosmischen Bezug her. Die für die Kunst zunächst tote Materie der Luft, des Luftvolumens, thematisiert Klaus Illi als primäres plastisches Material. Die skulpturalen Maschinenobjekte sind Transistoren der Luft. Ihr Auf und Ab definieren den Takt, die Zeit. Rhythmus und Proportion schaffen eine eigene Zeitkurve, losgelöst von unserer gradlinigen Realzeit. Wenn die große rote Atemscheibe zum letzten Mal ihre Luft aushaucht, am Ende des pneumatischen Prozesses, entsteht vollkommene Ruhe, Stille. Mit jeder Wiederholung und akustischen Verdichtung des Raumes wächst und intensiviert sich dieses Schweigen, diese Leere. Als sei der Raum ausgeschöpft.
Für den Betrachter wird dies gleichsam zum Meditationsakt. In der transpersonalen Psychologie kann durch forciertes Atmen pränatale Erinnerung hervorgerufen werden. Illis Steigerung des Atemvorgangs weckt Assoziationen dazu. Zugleich symbolisiert die Monumentalisierung des Atemvorgangs in der roten Scheibe das Mittel der Verabsolutierung.
Der Aktionsbeginn im Rücken des Betrachters dokumentiert die räumliche Überlegenheit des Hörens vor dem Sehen. Der Hörsinn wird zum Leitsinn gegenüber dem haptischen und visuellen Ausdrucksmedium der Bildhauerei oder Objektkunst. Dem Sehsinn wird durch das Hören ein uneinholbarer Mehrwert geschenkt. Die Objekte im Ruhezustand sind gemindert, harren ihrer Potentialität. Sie dienen der akustischen Aktion, sind selbst Erzeuger des Kunstwerks, das sich im Hörraum dazwischen ereignet: zunächst im Inneren der Objekte beim Aufblasen und Luftentlassen und dann im geräuschvollen Anfüllen und schweigenden Entleeren des Raumes.
Der Hörsinn ist der älteste Gesichtssinn. Seine Archaik wurzelt in vorgeburtlicher Erfahrung. Atmen ist ein innenweltlicher Akt, die Primärfunktion des Lebens. Die symbolische Primordialität drückt sich auch in den Scheiben aus, dem Kreis als vollkommender Form. Es ist als mache die Installation von Klaus Illi erneut klar, dass die Kostbarkeit und das Wunder des Atemraumes unverwechselbar an unsere Existenz in all ihrer Dramatik und Bedrohung geknüpft ist.
„Ich atme also bin ich“ mutiert das „cogito ergo sum“ von Descartes. Einerseits ist es paradox, dass Klaus Illi ausgerechnet durch ein intelligentes mechanisches System die biologische und soziale Einheit von Körper und Raum inszeniert und damit indirkt an das mechanistische Weltbild Descartes anschließt, andererseits stellt er nicht das Denken, sondern den Atemprozeß ins Zentrum seines Systems, schließt damit den Anthropozentrismus aus, macht Austausch und Vernetzung zu Konstanten einer geschlossenen, geschaffenen und sich selbst erhaltenden Einheit des Lebens. Illis Modell der Selbstorganisation überwindet die Dualität von Subjekt und Objekt. Dabei geht die Installation über modellhafte Analyse hinaus und sucht in ihrer Tiefenschicht nach dem Ursprung von Vitalität, nach dem Impuls des Geborenseins. Im Ton wurde die Welt geschaffen, im Klang, im Licht und im Wort liegen die Wurzeln das Seins. Deshalb erfüllt tiefer Hall den hellen Raum. Von oben fließt die Luft durch das gläserne Rohr in die Maschinenlungen und erweckt das System zum Leben und den Raum zum Sein.
Markus Wimmer
Installation im Rahmen der Ausstellungsreihe „It's now or never“, Transit II
I'm breathing, so I'm
The gallery space they entered is initially optically structured: three small black breath objects in the entrance area, the grey-green pair in front of the stairs and the striking and purposeful red round end at the end wall. All objects are closed with hoses and cables to form a systemic cycle, the track of which leads up the stairs into a hidden space from which, comparable to the human head, the energetic impulse of the work emanates.
The viewer himself activates the pneumatic, kinetic and acoustic part of Klaus Illi's installation by means of a light barrier. The sounds emanate from the black objects in the back of the viewer. A soft click and pull prepares the acoustic composition. The double objects begin with a decided stretching, followed by violent ejection. At the climax, the red breathing disc gives its solo in long movements. The sound resembles an archaic music, stretching, filling noises, which are interrupted by a metallic, violent short ejection. Each part has its individual rhythm and noise identity, its unmistakable spoken language. The entire space thus becomes a resonating space. The composition increases from three to two to one object; from small objects to large solitaires, the multiplicity is led to unity.
The membrane objects connect body, space and time to a continuum. With each breath the density of the space increases. The acoustic system fills the space, the breathing objects breathe breath into it, the space transforms into a large breathing hall into which the viewer is drawn: "I breathe, so I am." The ventilated space receives "direction and fate" (Paul Celan), and becomes its own being.
Klaus Illi's installation creates an image of the world. In the permeable exchange of inspiration and expiration, the emergence and being of man and nature, of all living things and their salvaging enveloping space=world is symbolized. Both are inseparably connected, mutually dependent. They represent a closed system which makes life=breath impossible outside this cycle.
The apparatuses acquire an organic quality: The relationship between one's own breathing and the breathing world is symmetrical to the pneumatics of the objects and the breathing hall. Mechanical amplification and enlargement of the breathing process create a cosmic relationship. Klaus Illi thematizes the initially dead matter of air, the volume of air, as primary plastic material. The sculptural machine objects are transistors of the air. Their ups and downs define the beat, the time. Rhythm and proportion create their own time curve, detached from our straight-line real time. When the large red breathing disc breathes out its air for the last time, at the end of the pneumatic process, perfect silence is created. With each repetition and acoustic compression of the space, this silence, this emptiness, grows and intensifies. As if the space is exhausted.
For the observer this becomes an act of meditation. In transpersonal psychology prenatal memory can be evoked by forced breathing. Illis' intensification of the breathing process awakens associations with it. At the same time, the monumentalization of the breathing process in the red disc symbolizes the means of absoluteization.
The beginning of the action in the viewer's back documents the spatial superiority of hearing before seeing. The sense of hearing becomes the guiding sense in relation to the haptic and visual medium of expression of sculpture or object art. The sense of sight is given an unassailable added value by hearing. The objects at rest are diminished, awaiting their potentiality. They serve the acoustic action, are themselves producers of the work of art that takes place in the listening space in between: first inside the objects while inflating and releasing air and then in the noisy filling and silent emptying of the space.
The sense of hearing is the oldest sense of the face. Its archaism is rooted in prenatal experience. Breathing is an inner-worldly act, the primary function of life. The symbolic primordiality is also expressed in the discs, the circle as a perfect form. It is as if Klaus Illi's installation makes clear once again that the preciousness and wonder of the breathing space is unmistakably linked to our existence in all its drama and threat.
"I breathe so I am" mutates the "cogito ergo sum" by Descartes. On the one hand it is paradoxical that Klaus Illi stages the biological and social unity of body and space through an intelligent mechanical system and thus indirectly connects to Descartes' mechanistic view of the world, on the other hand he places not thinking but the breathing process at the centre of his system, thus excluding anthropocentrism, making exchange and networking constants of a closed, created and self-sustaining unity of life. Illis' model of self-organization overcomes the duality of subject and object. The installation goes beyond model-like analysis and searches in its deep layer for the origin of vitality, for the impulse of being born. The world was created in sound, the roots of being lie in sound, light and words. That is why deep reverberation fills the bright space. From above the air flows through the glass tube into the machine lungs and awakens the system to life and the space to being.
Markus Wimmer
Installation as part of the exhibition series "It's now or never", Transit II