"Frauen sollen nicht arbeiten"
Gegen 13.35 Uhr am 4. September 2021 pflegte Regina Gerken (58) an der Ecke Günzel- und Prinzregentenstraße in Wilmersdorf ehrenamtlich vernachlässigte Grünflächen. Sie ist ausgebildete Islamwissenschaftlerin und lebte 25 Jahre in Beirut, liebte die islamische Kultur, engagierte sich für Integration. Seit 20 Jahren half sie Flüchtlingen Deutsch zu lernen und dann in Deutschland zu studieren und zu arbeiten, sie liebte Blumen und kümmerte sich um Hecken und Blumenbeete.
Ein Mann in blauem Kaftan spricht die ihm unbekannte Frau an – warum sie als Frau hier die Hecke schneiden würde.
Abdul Malik A. (30), ein Flüchtling aus Afghanistan, lebt seit 2016 in Deutschland und ist der Meinung, "Eine Frau soll nicht arbeiten". Es stört Abdul Malik A. (30), dass sie eine Hecke schneidet.
Unvermittelt greift er sie mit einem Messer an: Stiche in den Hals und die linke Gesichtshälfte, während er sie an den Haaren festhält. Die Klinge durchtrennt die linke innere Halsschlagader. Folgenschwer: Es kommt zu einem halbseitigen Hirnschlag, tagelang ringt Regina G um ihr Leben. Sie wird rechtsseitig gelähmt bleiben und nicht mehr sprechen können. Ein 66 jähriger Passant Klaus F. hört ihre Schreie und eilt ihr couragiert zu Hilfe, lenkt die Aufmerksamkeit des Täters auf sich und rettet so Regina Gerken das Leben. Klaus schützt seinen Kopf mit einer Tasche, wird aber selbst verletzt.
Klaus F. (66) zur Richterin: „Ich sehe, wie sie sich seitlich wegdreht, von hinten greift er um ihren Hals, dann ein furchtbarer Schreckensschrei der Frau.“ Er lief hin.
Rentner Klaus F., der zuletzt als Krankenpfleger arbeitete, sah dann: „Er hielt sie mit einer Hand an den Haaren fest, mit er anderen hielt er ihr ein Messer an den Hals.“ Der Rentner schrie: „Hör auf, lass die Frau in Ruhe!“
Tatsächlich ließ A. von der Frau ab. Klaus F.: „Er blickte mich an, er sah total adrett aus, wie rausgeputzt, Bügelfalten am Ärmel des Kaftans.“ Der Blick des Mannes habe ihm gesagt: „Jetzt bist du dran.“ Klaus F.: „Er fuchtelte mit dem Messer, ich hielt mir meine Tasche vors Gesicht.“ Mehrere Stiche trafen auch den Rentner. Er konnte sich zu einem Friseursalon schleppen: „Polizei, schnell, der will die Frau abmurksen.“
Der Täter saß danach wie unbeteiligt vor einem Gebüsch. Als ihm Beamte abführten, sagte er, er habe die Frau „ins Paradies geschickt“ und „Frauen sollen nicht arbeiten“. Die Ermittler prüften: War es ein islamistischer Anschlag? Die Richterin: „Einen radikal-islamistischen Hintergrund haben wir nicht feststellen können.“
Ein Psychiater stellte fest: Bei A. brach spätestens Ende 2020 eine paranoide Schizophrenie aus – mit Verfolgungswahn. Und immer stärker habe A., der bis dahin nicht streng religiös gelebt habe, sich mit dem Islam befasst. Er verlor seinen Job, brach Kontakte zu Freunden ab, verwahrloste, fiel auf der Straße mit Bekehrungsversuchen auf.
Es war ein versuchter Mord, urteilte nun das Gericht. Doch A. kann dafür nicht bestraft werden. Weil er in einem akut psychotischen Zustand handelte. Richterin: „Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.“ Psychiatrie statt Knast.
Regina Gerkens Söhne wandten sich mehrere Wochen nach der Tat mit einem dramatischen Appell und der Bitte um Spenden an die Öffentlichkeit. Denn die Krankenkasse würde nur grundsätzliche und keine speziellen Behandlungen bezahlen. Die bräuchte ihre Mutter jedoch, um grundsätzliche Dinge wie das Sprechen, Essen oder Sitzen wieder zu erlernen. So kam insgesamt eine sechsstellige Summe zusammen. Regina Gerken kann selbst nicht am Prozess teilnehmen
Ihr Sohn Amer Hamzeh schreibt in einem Spendenaufruf: „In einem Augenblick hat ein Fanatiker unsere Familie in die Hölle geschickt.“ Er "wusste nicht, dass meine Mutter gerade dabei war, die Welt selber zu einem schöneren Ort zu machen“.
Regina Gerken befindet sich in einer Neurorehaklinik, lernt, wie man sitzt, steht, geht, wie man isst und wie man spricht. Das einzige Wort, was die einst so lebensfrohe Frau im Moment über die Lippen bringt, ist „wunderschön … wunderschön“, so ihr Sohn.
Doch die hochspezialisierten Therapien sind teuer, die Krankenkasse bezahlt nur grundlegende Therapien. „Um meiner Mutter wenigstens ein Stück ihres alten Lebens zurückgeben zu können, brauchen wir eure Hilfe“, schreibt Amer Hamzeh.
Inzwischen sind auf diesem Weg schon über 130.000 Euro zusammengekommen. „Durch euren Spenden werden wir unsere Mutter in eine der besten Neurorehas in Berlin verlegen können, ohne uns Sorgen machen zu müssen, ob die Krankenkasse das bewilligt oder nicht“, bedankt sich Amer Hamzeh.
Amer Hamzeh: „Wir werden nicht aufgeben, bis Regina wieder auf den Beinen ist und das tut, was sie liebt: die Welt zu einem schöneren Ort zu machen.“
Ein informativer Artikel über den Fall siehe im Berliner Tagesspiegel vom 27.11.2021