Katharsismaschinen
Ende der 1990er Jahre begann parallel zu den Atemarbeiten die Arbeit an mechanischen bzw. kinetischen Apparaten, so entstanden z.B. „Katharsismaschinen“. Obwohl sie gründlich fegen oder ausradieren, ist ihre Reinigungsfunktion jedoch höchst fragwürdig und nur mit einem Augenzwinkern wörtlich zu nehmen - vielleicht ein Reflex des in Stuttgart geborenen und in Ostfildern lebenden Illi auf das reale oder vermeintliche Reinlichkeitsbedürfnis der Schwaben. Jedes Verwischen ist dabei auch eine Spur. Dieses Prinzip des Gegenspiels konkretisiert sich im Widerstreit von Verdrängen und Wissen Wollen, von Entstauben und Wegwischen, von provozierter Leere und erreichter Fülle.
Catharsis Machines
At the end of the 1990s, parallel to the breathing works, new work developed on mechanical or kinetic apparatuses, for example "catharsis machines" were created. Although they thoroughly sweep or erase, their cleaning function is highly questionable and can only be taken literally with a twinkle in the eye - perhaps a reflex of Illi, who was born in Stuttgart and lives in Ostfildern, to the real or supposed need for cleanliness of the Swabians. Every blurring is also a trace. This principle of counterplay becomes concrete in the conflict of repression and knowledge, of wanting to get rid of dust and wiping away, of provoked emptiness and reached fullness.
„Katharsis / Rot“
2005
8 Schrittmotoren, 8 rote Blindenhandfeger, Teppich ø 280cm
Ausstellung "Das grosse Reinemachen", Kunsthaus Nürnberg, 2014
"Catharsis / Red"
2005
8 stepper motors, 8 red blind hand brushes, carpet ø 280cm
Exhibition "Das grosse Reinemachen", Kunsthaus Nuremberg, 2014
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Anordnung von acht jeweils im Kreis fegenden roten Blindenhandfegern rund um einen staatstragenden roten Teppich, so dass der Empfangsteppich für jeden hohen Gast immer sauber gehalten wird. Gefegt wird nur, wenn sich eine Person annähert. Durch die Schrittmotoren können auch kleine und größere Schrittchen und Kreissegmente mit sehr langsamer bis sehr schneller Geschwindigkeit gefegt werden (jeweils geordnet/gleichgeschaltet, gegenläufig oder individuell/chaotisch). Bei sehr dynamischen und ruckartigen Segment- oder Drehbewegungen vibrieren die Katharsismaschinen. Über die Drehgeschwindigkeit ist eine Tonleiter bzw. Melodie möglich, beispielsweise wird das Deutschlandlied gefegt.
Die Installation könnte auch unter dem Titel „Nicht ganz sauber“ unter den Teppich kehren.
Im Deligieren des kollektiven Gedächtnisses an ein Gerät, an „Katharsismaschinen“, klingt nicht nur eine absurde Methode, sondern auch eine fragwürdige Mechanisierung / Automatisierung und Ritualisierung von Erinnerung an. Die Zwanghaftigkeit und Ambivalenz der deutschen Seelenlage, sei es die des Hin- oder Wegschauens, könnte in der Installation spielerisch anschaulich werden.
Angestrebt ist eine amüsante und gleichzeitig abgründige Installation, denn die Apparate widersprechen sich selber, sind gleichzeitig Antikatharsismaschinen.
Jedes Verwischen ist dabei auch eine Spur. Dieses Prinzip des Gegenspiels konkretisiert sich im Widerstreit von Verdrängen und Wissen Wollen – es kann sich sowohl um einen Prozess des (archäologischen) Suchens als auch um den Vorgang des Auslöschens, ja Vernichtens handeln.
Arrangement of eight red blind hand sweepers, each sweeping in a circle, around a red carpet supporting the state, so that the reception carpet is always kept clean for every high guest. Sweeping takes place only when a person approaches. The stepper motors can also be used to sweep small and large steps and segments of circles at very slow to very fast speeds (in each case in an orderly or synchronised fashion, in opposite directions or individually or chaotically). The catharsis machines vibrate with very dynamic and jerky segmental or rotational movements. A scale or melody is possible via the rotational speed, for example the Deutschlandlied (German's national anthem) is swept.
The installation could also be swept under the carpet under the title "Not quite clean".
In delegating collective memory to a device, to "catharsis machines", not only an absurd method sounds, but also a questionable mechanization / automation and ritualization of memory. The compulsiveness and ambivalence of the German soul situation, be it that of looking at or looking away, could become playfully vivid in the installation.
The aim is to create an amusing and at the same time abysmal installation, because the apparatuses contradict themselves and are at the same time anti-catharsis machines.
Every blurring is also a trace. This principle of counter-play becomes concrete in the conflict of repression and wanting to know - it can be both a process of (archaeological) searching and the process of extinguishing, even destroying.
"Mr. Magic / Adolf in Südfrankreich“
2001/2002 / 2014
Koloriertes und retuschiertes Foto in Rahmen, pneumatischer Antrieb, Staubwedel, 130x76x16cm
Ausstellung "Das grosse Reinemachen", Kunsthaus Nürnberg, 2014
"Mr. Magic / Adolf in the South of France"
2001/2002 / 2014
Colored and retouched photo in frame, pneumatic drive, feather duster, 130x76x16cm
Exhibition "Das grosse Reinemachen", Kunsthaus Nuremberg, 2014
Video on Youtube, 40 Sec
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„Mr. Magic / Adolf in Südfrankreich“ besteht, abgesehen von den pneumatischen Elementen, aus einem antistatischen Plastikstaubwedel „Mr. Magic“, sinnigerweise in Israel erworben, aber sicher in Fernost gefertigt. Der Wedel arbeitet mit statischer Aufladung, sein Stab wird normalerweise zwischen den Handflächen hin- und hergerollt, dadurch werden die Plastikfäden in den Farben schwarz-rot-gold über die zu reinigende Fläche rotiert, der Wedel wird dann buschig und zieht Staub an sich.
Im vorliegenden Aufbau kombinieren die pneumatischen Elemente eine Wischbewegung Auf-Ab in Halbkreisform und eine Drehbewegung. In der Mitte dieses Wischbogens befindet sich das kolorierte und gerahmte Foto. Während der Wedel über die Bildzone fährt, dreht sich der Wedel mehrmals schnell um seine Achse, so dass die Kunststoff-Fasern hin und herfliegen.
Die Farbigkeit entspricht eindeutig einer kitschigen deutschen Fahne und bringt hoheitliche, nationale Konnotationen, Fahnenkult etc. ins Spiel Die kolorierte Bildfarbigkeit des Fotos ist dem Retuscheur etwas entglitten, der Soldat wirkt fast geschminkt, was mit dem Soldatischen kollidiert.
Das Flohmarktfoto des einfachen Wehrmachtssoldaten mit der Aufschrift „Adolf in Südfrankreich 1943“ verweist auf keine biographischen Zusammenhänge, dennoch erinnert die zeitspezifische Ikonographie und der unschuldig in die Ferne und leicht nach oben gerichtete Blick an ein Soldatenportrait des Künstlervaters. Die französische Retuschier- und Kolorieranleitung auf der Bildrückseite (nicht sichtbar) könnte einen Untertitel abgeben: „arranger un peu le col que baille arrière“, was so viel heißt wie „den Kragen hinten ein bisschen arrangieren“ (wörtl.: ...der hinten gähnt/absteht).
Die ausgeführte Retusche ist deutlich auf dem Foto rechts erkennbar. Außer dieser Retuschieranleitung ist auf der Fotorückseite die Notiz des Fotografen für die richtige Kolorierung des SW-Fotos und die Angabe der Augenfarbe zu entziffern.
Hier geht es um die Verbindung von Reinigung und persönlicher Trauer bzw. Erinnerung. Die Themengruppen „Katharsis“ und „Agnosie“ sind hier eng verbunden. Das Objekt bezieht sich auf sicherlich realistische Vorgänge in deutschen Wohnzimmern und weist damit kollektive Aspekte auf. Fast jeder wird sich an entsprechende Bildgruppen an Wänden oder auf Kommoden erinnern. Dies wird aufgefangen durch die spezifische Mechanik der Bewegung, die den Betrachter unweigerlich Schmunzeln lässt.
"Mr. Magic / Adolf in Southern France" consists, apart from the pneumatic elements, of an antistatic plastic dust feather duster "Mr. Magic", sensibly acquired in Israel, but surely manufactured in the Far East. The feather duster works with static charge, its rod is normally rolled back and forth between the palms of the hands, so that the plastic threads in the colours black-red-gold are rotated over the surface to be cleaned, the feather duster then becomes bushy and attracts dust.
In the present structure, the pneumatic elements combine an up-down wiping movement in the form of a semi-circle and a rotary movement. The coloured and framed photo is located in the middle of this wiping sheet. While the frond travels over the image zone, the frond rotates several times quickly around its axis, so that the plastic fibres fly back and forth.
The colourfulness clearly corresponds to a kitschy German flag and brings sovereign, national connotations, flag cult etc. into play. The coloured picture colour of the photo has slipped somewhat from the retoucher, the soldier seems almost made up, which collides with the soldier.
The flea market photo of the simple Wehrmacht soldier with the inscription "Adolf in Southern France 1943" does not refer to any biographical connections, yet the time-specific iconography and the innocent look into the distance and slightly upwards remind us of a soldier portrait of the artist's father. The French retouching and coloring instructions on the back of the picture (not visible) could give a subtitle: "arranger un peu le col que baille arrière", which means "arranging the collar a little behind" (word: ...which yawns/stands off behind).
The executed retouching is clearly visible on the photo on the right. In addition to these retouching instructions, the photographer's note on the back of the photo for the correct coloration of the SW photo and the indication of the eye color must be deciphered.
This is about the connection between cleansing and personal grief or memory. The theme groups "Catharsis" and "Agnosia" are closely connected here. The object certainly refers to realistic processes in German living rooms and thus has collective aspects. Nearly everyone will be able to access corresponding groups of pictures on walls or chests of drawers. This is absorbed by the specific mechanics of the movement, which inevitably makes the viewer smile.
"Deutschland soll schöner werden!", Ausstellung „Junge Kunst“, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen, 2000
Hintergrund: Linoldruck, Vordergrund. "Pariser Katharsis"
"Germany shall become more beautiful", exhibition "Young Art", Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen, 2000
Background: Linoleum print, foreground. "Parisian Catharsis.
"Deutschland soll schöner werden!", Linoldruck, 70x150cm, 2000
"Germany shall be more beautiful!" , linocut, 70x150cm, 2000
"Pariser Katharsis", Ausstellung "Junge Kunst", Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen, 2000
"Parisian Catharsis", exhibition "Young Art", Städtisches Kunstmuseum, Spendhaus Reutlingen, 2000
Derwischtanzbesen, 2019, Servomotoren
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Katharsis - 6, 2003 (Ausstellung "Auf + Ab + Zu", Künstlerhaus Ulm, 2003)
Catharsis - 6, 2003 (Exhibition "Up + Down + To", Künstlerhaus Ulm, 2003)
"Eiserner Besen", 2003, Ausstellung "Auf + Ab + Zu“, Künstlerhaus Ulm
"Iron Broom", 2003, exhibition "Up + Down + To", Künstlerhaus Ulm
„KATHARSIS“, 2003, Zwei eiserne, pneumatische Besen, Foto, Kunstverein Stuttgart im Rahmen von „Finale Totale“, 250x325x200cm
Zwei eiserne Besen sind links und rechts des Fotos (mit NS-Ehrenhalle und Ewiger Wache am Königsplatz München) an der Wand befestigt. In Anfällen von Reinigungswahn wetteifern sie um exemplarische Sauberkeit, mal im zackigen Gleichschritt, mal mit militärischem Exerzierschritt, zwanghaft und unerbittlich, immer gründlich, beflissen und pflichtbewusst. Reinheit ist bekanntlich ein so grundlegendes menschliches Bedürfnis, dass sie Täter und Opfer durch sogenannte Zwangshandlungen vereint.
Die Arbeit ist eine ironische Hommage an den Militarismus.
München hatte im nationalsozialistischen Reich neben Berlin und Nürnberg eine vorrangige Bedeutung als „Hauptstadt der Bewegung“. Der Königsplatz war von Hitler als denkmalhafter Mittelpunkt der Partei auserkoren, hier fanden in den Ehrentempeln die beim Hitlerputsch vom 9. November 1923 umgekommenen 16 Staatsmärtyrer ihre letzte Ruhestätte, um die „Ewige Wache des 3. Reiches“ zu halten. Der Königsplatz wurde zur zentralen sakralen Kultstätte von Partei und Staat, es war eine der ersten architektonischen Selbstdarstellungen des Nationalsozialismus. Diese ersten Kulturbauten des 3. Reiches standen auf einem quadratischen Sockel von ca. 21m Seitenlänge. Zwanzig 7m hohe, kannelierte Pfeiler trugen einen freigespannten, aus Eisen und Beton konstruierten Deckenkranz. Im Innern der offenen Pfeilerhalle lagen in einer Vertiefung die je acht gusseisernen Sarkophage der „Helden“. Nur an der dem Platz abgewandten Seite befand sich eine Treppe, die ins Innere des Tempels führte und Tag und Nacht von einer Mahnwache aus zwei Mitgliedern von Hitlers Leibstandarte besetzt war.
Der alliierte Kontrollrat ließ die Ehrentempel-Pfeilerhallen, diese Erinnerungstempel der Nazis im Januar 1947 sprengen. Mit der „Entnazifizierung“ des Platzes, die einer „damnatio memoriae“ entspricht, wollte man ein möglichst hohes Maß an reinigender Wirkung erreichen.
"CATHARSIS", 2003, Two iron, pneumatic brooms, photo, Kunstverein Stuttgart in the context of "Finale Totale", 250x325x200cm
Two iron brooms are attached to the wall to the left and right of the photo (with NS Hall of Honour and Eternal Guard at Königsplatz Munich). In attacks of cleaning mania, they compete for exemplary cleanliness, sometimes in jagged synchronism, sometimes with military drill, compulsively and relentlessly, always thoroughly, diligently and dutifully. Purity is known to be such a fundamental human need that it unites perpetrators and victims through so-called coercive acts.
The work is an ironic homage to militarism.
In the National Socialist Empire, Munich was of primary importance as the "capital of the movement" alongside Berlin and Nuremberg. The Königsplatz was chosen by Hitler as the monumental centre of the party, here the 16 state martyrs who died in the Hitler coup of 9 November 1923 found their final resting place in the temples of honour in order to keep the "Eternal Guard of the Third Reich". Königsplatz became the central sacral place of worship for the party and the state, one of the first architectural self-representations of National Socialism. These first cultural buildings of the 3rd Reich stood on a square base of approx. 21m side length. Twenty 7m high, fluted pillars carried a free-span ceiling wreath made of iron and concrete. Inside the open pillar hall, the eight cast-iron sarcophagi of the "heroes" each lay in a recess. Only on the side facing away from the square was there a staircase leading into the interior of the temple, occupied day and night by a vigil consisting of two members of Hitler's Leibstandarte.
The Allied Control Council had the Ehrentempel-Pfeilerhallen (temple of honour-colonnaded halls), the memorial temples of the Nazis, demolished in January 1947. With the "denazification" of the place, which corresponds to a "damnatio memoriae", one wanted to achieve the highest possible degree of cleansing effect.
Foto von Heinrich Hoffmann aus: „Illustrierter Beobachter“, Sonderheft „Adolf Hitler – ein Mann und sein Volk“, 1936,
S. 70/71, Courtesy und Bildquelle: Bayrische Staatsbibliothek München / Bildarchiv
Photo by Heinrich Hoffmann from: "Illustrierter Beobachter", special issue "Adolf Hitler - ein Mann und sein Volk", 1936,
p. 70/71, Courtesy and Picture Source: Bavarian State Library Munich / Picture Archive
Eiserner Besen im Stillstand - Iron broom at standstill
Eiserner Besen in Aktion - Iron broom in action
Eiserner Besen in heftiger Aktion - Iron broom in violent action
Katharsismaschine 8, 2001, Handfeger, Kehrschaufel, pneumatische Elemente, Steuerung, 45 x 65 x 50cm
Catharsis maschine 8, 2001, hand brush, dustpan, pneumatic elements, control, 45 x 65 x 50cm
Scratching Machine („Punctum Caecum“, Artists’ Residency Herzeliya, Israel, 2002)
Empfangsbesen ("Relativ Schön", Kunststiftung Pro Arte, Ulm, 2004)
Reception broom ("Relativ Schön", Art Foundation Pro Arte, Ulm, 2004)
Villa Merkel, Esslingen, 2006
Villa Merkel, 2006
Fliegenklatsche / Fly Flap (Ausstellung „Ofi ziell“, Städtische Galerie Ostfildern, 2008)
Fliegenklatsche / Fly Flap (Ausstellung „Ofi ziell“, Städtische Galerie Ostfildern, 2008)
links: LmA² (schwäbische Relativitätstheorie), 2004, 50x65cm, Ausstellung "Relativ schön", Kunststiftung Pro Arte, Ulm, 2004
rechts: "Zunge / Schwäbischer Gruß" kinetisches Objekt, Kupferdraht, Motor, 2004
Sowohl der Druck links als auch das Objekt rechts beziehen sich auf Ulm berühmtesten Sohn Albert Einstein. Das Objekt reagiert auf das Eintreten mit einem kräftigen "Zungenschlag". Der Druck bezieht sich auf das wichtigste schwäbische Grundrecht, das (zuweilen deftige) Schimpfen, das hier durch Verwissenschaftlichung salonfähig wird.
left: LmA² (Swabian theory of relativity), 2004, 50x65cm, exhibition "Relativ schön", Art Foundation Pro Arte, Ulm, 2004
right: "Tongue" kinetic object, copper wire, motor, 2004
Both the print on the left and the object on the right refer to Ulm's most famous son Albert Einstein. The object reacts to the entry with a strong "tongue strike". The linoprint refers to the most important Swabian fundamental right, the (sometimes hearty) cursing, which becomes acceptable here through scientification.
"Zunge" / Schwäbischer Gruß
Tongue / Swabian greeting
"Gefühlsecht", 2007, Edition mit Hundebeutel, Auflage 30
"Gefühlsecht" (Emotionally true), 2007, Edition with dog bag, edition of 30
"Ausrüstung für einen Filderspaziergang", 2008, zweiteilige Edition Auflage 50 (Fliegenklatsche und Schwalbe aus Hundekotbeutel, Text)
"Equipment for a Filder Walk", 2008, edition 50, two parts (Fly swatter and swallow from dog excrement bag, text)
Die Arbeit speist sich aus mehreren Quellen.
Meine Mutter erzählte mir, früher habe sich in Ruit ein Mann auch werktags erlaubt, spazieren zu gehen – vielleicht aus gesundheitlichen Gründen? Es war ebenfalls ein Illi, und da seine Nachfahren noch leben, ist dieser Bericht eigentlich problematisch. Der Vorname ist meiner Mutter aber nicht erinnerlich. Jedenfalls hat dieser Mann quasi zur Tarnung auf seinen werktäglichen Spaziergängen eine kleine Hacke (schwäbisch [Haile]) geschultert.
Da man auch heute allerlei Verrenkungen verrichten muss, wenn man in der Natur ist, beispielsweise im Sturmtruppenstechschritt mitten im Sommer Skistöcke herumwirbeln – vermutlich aus gesundheitlichen Gründen – habe ich überlegt, ob es nicht auch andere Accessoires und humanere Bewegungsformen geben könnte, die der Gesundheit dienlich oder wie auch immer nützlich sein könnten. Immerhin bin ich selbst bereits im Krampfadergeschwader-Alter und gerade die Skistöcke wären mir ärztlich angeraten.
Eine andere Geschichte, die mir nicht aus dem Kopf will, hat meinen Sinn für schwäbische Erotik maßgeblich geprägt: eine Bäuerin wurde gefragt, warum sie bei der Feldarbeit keine Unterhose trage. „Meinst Du, ich will die Fliegen im Gesicht haben?“ war ihre Antwort.
Ein Fliegenklatsche ist demzufolge in allen Lebenslagen angemessen.
Der Protest gegen die erneut drohende Erweiterung des Stuttgarter Flughafens hat mir beim Falten der sogenannten „Schwalben“ ein Stück Kindheit zurückgegeben.
Als Hundeliebhaber habe ich ein intensives, wenn nicht libidinöses Verhältnis zu Hundekotbeuteln, somit wäre die Schwalbe sogar schechtwettertauglich.
Meine Hoffnung ist, dass irgendwann beide Accessoires ärztlich als gesundheitsfördernd anerkannt und damit verschreibungsfähig werden.
The work comes from several sources.
My mother told me that in Ruit a man used to take a walk on weekdays - perhaps for health reasons? It was also an Illi, and since his descendants are still alive, this report is actually problematic. However, my mother cannot remember his first name. In any case, this man has shouldered a small heel (Swabian [Haile]) as a kind of camouflage on his weekday walks.
Since you have to perform all kinds of contortions even today, when you are in nature, for example, in the storm troop step in the middle of summer ski poles whirl around - probably for health reasons - I have considered whether there might not be other accessories and more humane forms of movement, which could be beneficial to health or however useful. After all, I myself am already in my varicose vein squadron age and the ski poles in particular would be advisable to me from a medical point of view.
Another story that I can't get out of my head has had a decisive influence on my sense of Swabian eroticism: a farmer's wife was asked why she didn't wear underpants when working in the fields. "Do you think I want the flies in my face?" was her answer.
A fly swatter is therefore appropriate in all situations in life.
The protest against the renewed threat of expansion of Stuttgart Airport has given me back a piece of childhood by folding the so-called "swallows".
As a dog lover I have an intensive, if not libidinal relationship to dog excrement bags, so the swallow would even be suitable for bad weather.
My hope is that at some point both accessories will be medically recognized as health-promoting and therefore prescribable