Ein uralter, auf einer Weide unter Naturschutz stehender kleiner Eichenhain im Würmtal beim Weiler Mauren. Zwei der Eichen sind bereits tot, eine dritte stattliche Eiche in ihrer Mitte, die noch vital ist, weist eine fürchterliche Wunde auf. Im unteren Stammbereich ist wohl vom Sturm der unterste, gewaltige Ast abgerissen. Die Baumwunde hat oben den Umriß eines Halbkreises und vertieft sich dann konkav in den Kern des Stammes. Unterhalb des halbkreisförmigen „Gewölbes“ wird die Form der Baumwunde senkrecht. Die mächtigen Wunde ist zu einer unperfekten, aber natürlichen Nischenform geworden, die man aus Wandgestaltungen aus der Antike kennt, eine eine klassische Figur enthaltend, die mehr oder weniger gut erhalten ist. Die Form der Wunde erinnert eindeutig an die katholische Bildsprache von Wegemadonnen oder Wegekreuzen.
Hier, im Falle dieser aufgrund höherer Gewalt entstandenen Naturnische, Leere - die Figur scheint herausgefallen.
Ein runder goldener Glanz im oberen Teil der Baumwunde, ein Strahlen, ein schwebendes Relikt, fällt dem aufmerksamen Betrachter ins Auge. Man kann es als Nimbus verstehen, als Gloriole, als Heiligenschein Die Meisten werden es im Vorbeischlendern oder -Radeln übersehen.
Maria fehlt in dieser unheilbar klaffenden Wunde. Es entsteht das Bild der Abwesenheit, der Sehnsucht, des (Phantom-) Schmerzes. Nur etwas Kleines, Immaterielles ist geblieben, kaum wahrnehmbar aus der Distanz des Weidezaunes, der das Nähertreten verhindert.
Das Bild ist für mich vollständig: Eine unverhoffte Reflexion, ein Lichtschein in einer gewaltsamen Wunde. Bescheiden, demütig, ehrfürchtig vor dem Schicksal und den letzten Fragen, unaufdringlich, in der Ferne. Man muss es entdecken, es drängt sich nicht auf, es ist temporär - die Wunde wird wohl das Ende des Baumes besiegeln.
Die Idee beseelt mich, trägt mich zurück zu dem Baum, der nicht allein ist. Ich prüfe mich: bin ich zu schnell zufrieden?
Nein, das Bild ist präsent, wenig Zweifel.
Der Weidezaun verhindert ein Nähertreten. Man entdeckt einen Plexibehälter mit Postkarten.